Offiziersausbildung ist erstklassige Managerausbildung!
Sofern das Österreichische Bundesheer nicht in „Bedeutungslosigkeit versinken“ und sich endgültig die Chance vergeben will, endlich eine eindeutige, positive Positionierung unseres Berufsstandes in der Gesellschaft zu erwirken und unsere Organisation an klaren Zielen „fest zu machen“, ist eine ernsthafte Diskussion über die Offiziersausbildung zwingend erforderlich.
In den folgenden Ausführungen werde ich versuchen zu erklären, warum ich zu dieser Ansicht komme und was von unserer Führung - also unserem Management - daher zu fordern ist.
Lassen Sie mich aber einleitend auf folgendes hin weisen:
Das Bundesheer hat vor nunmehr 10 Jahren den Fachhochschulstudiengang „Militärische Führung“ etabliert und die Theresianische Militärakademie wird dieses Jubiläum bei einem „Tag der Offenen Tür“ am 25. Juni 2008 gebührend feiern.
Innerhalb des BMLV und für Soldaten ist das Ziel dieses Studienganges (derzeit Diplomstudiengang; künftig wohl Bachelor - Studiengang) mit „Leutnant“, „Zugskommandant“, Stellvertretender Einheitskommandant“ klar festgelegt.
Was aber wissen „Nicht-Soldaten“ über das Ziel dieses Studiums, dieser Ausbildung?Welcher Mann in Österreich weiß - vor allem wenn er der Wehrpflicht nicht unterliegt oder ihr nicht nachkommt - was das Ziel der Tätigkeit von Offizieren (und daher auch deren Ausbildung) ist? Welche Frau in Österreich - vor allem wenn sie sich nicht für den Ausbildungsdienst beim Bundesheer entschlossen hat oder nicht mit einem Soldaten lebt - kann sich vorstellen, welche Aufgaben ein Offizier zu erfüllen hat?
Die sich in logischer Folge aufdrängende Frage muss daher lauten: „Woher also soll jene Wertschätzung kommen, die wir selbst für unseren Beruf und unsere Tätigkeit erwarten, ja sogar (zu Recht?) verlangen? Wie soll jemand in der Lage sein, unserem Beruf einen Wert bei zu messen, wenn er gar nicht sehen kann, was wir tun?“
Dieses „nicht sehen können“ kann durchaus gefördert, ja sogar gewollt sein. Gefördert zum Beispiel durch Medien, indem sie nur (scheinbar) Negatives über unseren Beruf oder unsere Organisation berichten (weil ja nur negative Nachrichten gute Nachrichten sind!?). Gewollt beispielsweise auch von Politikern, die durch Einsparungen bei den Ausgaben für das Bundesheer hoffen mögen, in anderen Bereichen Stimmen zu gewinnen.
Eine weitere Frage muss wohl sein: „Wie reagiert das Management des Bundesheeres auf diese Situation?“ Auf diese für uns natürlich wichtige Frage kann ich im Moment keine wirklich umfassende Antwort geben. Vielleicht sehen wir alle aber am Ende dieses Beitrages etwas klarer.
Welches Ziel hat die Ausbildung von Offizieren des Bundesheeres?
Das Ziel der Ausbildung der Offiziere des Bundesheeres muss abhängig davon sein, was diese Personengruppe zu leisten hat. Diese zu erbringende Leistung wiederum ist ausschließlich abhängig von den Zielen der Organisation, in der sie zu erbringen ist.
Damit ist das Ziel der Ausbildung der Offiziere einerseits aus diversen Gesetzen, aus Erlässen und Vorschriften des Bundesheeres zu ersehen. Andererseits ist es auch auf der Homepage des BMLV wie folgt beschrieben:
„Studium für Führungskräfte
Nach vier Jahren intensivem, abwechslungsreichem und gut bezahltem Studium mustern die neuen Offiziere mit dem Dienstgrad "Leutnant" zum Bundesheer aus und tragen zusätzlich den akademischen Grad "Bachelor der Militärischen Führung (B.A.)". Der Grund: Die Militärakademiker von heute absolvieren in Wiener Neustadt den Fachhochschul-Diplomstudiengang "Militärische Führung".Truppenoffiziere sind als Führungskräfte für die Ausbildung der Soldaten und das Vorbereiten und Durchführen von Einsätzen verantwortlich. Offiziere sind daher Lehrer, Manager und Kämpfer in einer Person. Offiziere tragen in Ausbildung und Einsatz die Verantwortung für ihre Soldaten.“Diese Textierung (übernommen von http://www.bundesheer.at/karriere/offizier/index.shtml am 28.05.08 um 2000 Uhr) weist folgende diskussionswürdigen Punkte auf:
Ø Sie ist in sich widersprüchlich, weil der heute zu absolvierende Fachhochschul - Diplomstudiengang wohl kaum der Grund dafür sein kann, dass künftige Absolventen den akademischen Grad „Bachelor der militärischen Führung“ tragen werden. Das stellt einen untauglichen Versuch dar, das „Zurückgehen“ auf einen niedrigeren akademischen Grad als „positiv“ darzustellen.
Ø Sie ist einseitig, ja irreführend, weil unterlassen wird darauf hinzuweisen, dass man im Bundesheer nicht nur während des Studiums an der Theresianischen Militärakademie sondern auch während anderer Bildungsprozesse bezahlt wird. Man könnte wahrscheinlich auch von einer bewusst irreführenden Formulierung sprechen („man bezahlt sogar während des Studiums an der TherMilAk gut, wie gut wird man erst nachher bezahlt werden?“), denn tatsächlich erfolgt die Bezahlung der Absolventen dieses „Studiums für Führungskräfte“ nicht nach Schemata für Akademiker sondern unverändert nach einem für Maturanten gültigen Schema.
Bei aller notwendigen Kritik ist aus diesem Text aber eindeutig ableitbar, dass es sich bei den Offizieren des Bundesheeres um Führungskräfte handelt und daher das Ziel der Ausbildung an der Theresianischen Militärakademie das Heranbilden von Führungskräften ist.
Was aber sind Führungskräfte?
Wohl jeder denkt bei diesem Begriff automatisch an Manager, was richtig ist. Zumindest dann, wenn man sich den Ausführungen von Professor Doktor Fredmund Malik in seinem Buch „Führen Leisten Leben; Wirksames Management für eine neue Zeit“ (2. Auflage, erschienen im Campus Verlag Frankfurt/New York 2006) anschließen kann.
Er führt im Vorwort zu ersten Auflage (ebenda, Seite 14, vorletzter Absatz ff) sinngemäß aus, dass Führungsaufgaben durch Beruf, Tätigkeit, Funktion und Stellung in einer Organisation festgelegt werden, unabhängig von Führungsebenen und davon, ob sich die jeweils betroffene Person als Manager sieht oder nicht.
Und weiter führt er aus, dass es in unserer Dienstleistungs-, Informations- und Wissensgesellschaft eine drastisch zunehmende Zahl von Führungsfunktionen geben wird. Er leitet davon weiter ab, dass daher der Vorbereitung der jeweiligen Funktionsträger auf eben ihre Führungsfunktion entscheidende Bedeutung zuzumessen ist.
Ich stimme mit Malik völlig überein, wenn er Management als die wichtigste Funktion in der Gesellschaft bezeichnet (ebenda, Seite 15, 3. Absatz) und wenn er daher auch eine entsprechende Bewertung und Beurteilung der Effektivität und Effizienz von Management fordert. Und um eine entsprechende Effektivität und Effizienz bezogen auf die Ziele der jeweiligen Organisation erreichen zu können, kann man entweder auf „Wunderknaben“ oder „Genies“ warten (hoffen), oder die vorhandenen „ganz normalen Menschen“ für diese Tätigkeit ausbilden. Was auch mir erfolgversprechender erscheint.
Und Malik versteht Management - meiner Ansicht nach zu Recht - als Beruf, als einen Beruf wie jeden anderen auch. Daraus leitet er logisch ab, dass dieser Beruf erlernbar ist wie jeder andere auch, dass Talent natürlich ein Vorteil sein mag, aber keine Voraussetzung dafür darstellt, dass man daher auch für Management „das Handwerk“ erlernen kann und muss.
Malik fordert „richtiges und gutes Management“. Er meint damit, dass alles zu tun sei, um die Unternehmensziele oder die Ziele der Organisation zu erreichen. Malik spricht dabei ausdrücklich nicht von den Zielen des Managements, sondern eben von denen des jeweiligen Unternehmens und der jeweiligen Organisation, um Menschen erfolgreich, Organisationen funktionstüchtig und Gesellschaft lebensdienlich zu machen (siehe ebenda, Seite 20; Einführung: Richtiges und gutes Management als Schlüssel zum Erfolg, erster Absatz ff).
Er bezeichnet „richtiges und gutes Management“ als die wichtigste Fähigkeit in der Gesellschaft, um sich selbst und andere wirksam und erfolgreich zu machen.
Die Unterscheidung zwischen richtig und falsch sowie gut und schlecht ist – so Malik – fundamental, in jedem Beruf natürlich gegeben und muss daher auch für Management zutreffen.
Malik behauptet ferner, dass gute Manager nur eines gemeinsam haben: Sie sind wirksam (im Sinne der Ziele z. B. von Organisationen). Und der Schlüssel dazu liegt - stellt er weiter glaubwürdig fest –ausschließlich in der Art ihres Handelns und nicht in ihren persönlichen Eigenschaften oder anderen Faktoren begründet.
Malik betont, dass es aber nur wenige Ausbildungsstätten gibt, die Management lehren, vor allem für jene Situationen, wo Management am dringendsten benötigt wird - für Krisensituationen. Als (lobenswerte) Ausnahmen dazu nennt er die Pontifikalakademien der Kirche und die Militärakademien der Armeen (siehe ebenda Seite 68, Professionalität; 2. Absatz ff).
Die Theresianische Militärakademie ist eine der wenigen Managementschulen der Republik Österreich
Aus den oben stehenden Ausführungen schließe ich, dass die Theresianische Militärakademie (aber auch die Landesverteidigungsakademie und die Heeresunteroffiziersakademie!) eine der wenigen Managementausbildungsstätten der Republik Österreich ist.
Sie bildet aus und erzieht Führungskräfte, die das Management - Handwerk als Basis für ihre Berufsausübung erlernen sollen. Und das macht diese Bildungsstätte mit bestem Erfolg, seit mehr als 250 Jahren!
Der Erfolg wird vor allem im Ausland gesehen, wo durchaus mit einem gewissen Neid auf die Leistungsfähigkeit der österreichischen Offiziere (wohl auch auf die unserer Chargen und Unteroffiziere!) geblickt wird und unsere Staatsführung immer wieder höchstes Lob für unsere Leistungen erntet.
Lob und Anerkennung, die ausschließlich als Früchte der Arbeit an der Theresianischen Militärakademie, der Landesverteidigungsakademie und der Heeresunteroffiziersakademie gesehen werden müssen.
Denn, wie Malik sinngemäß wiederholt und glaubhaft feststellt - Genies unter Managern sind so selten wie Hauptgewinne im Lotto. Wer aber sein Handwerk gut gelernt hat, die Möglichkeit zum Erwerb praktischer Erfahrung in seinem Beruf hatte, der wird auch im Stande sein, eine entsprechende Management - Leistung zu erbringen.
Was bedeutet das aber für unsere Heimat, für unsere Organisation und für uns selbst?
Das bedeutet, dass wir bestens ausgebildete Führungskräfte Österreichs sind!
Das bedeutet, dass Österreich seine wenigen aber höchst erfolgreichen Management - Ausbildungsstätten mit entsprechender Wertschätzung zu behandeln hat, will man nicht - frei nach Malik - gravierende Nachteile in Kauf nehmen.
Das bedeutet aber auch, dass man den (wenigen) ausgebildeten Managern auch die entsprechende Wertschätzung zuerkennen muss. Sowohl innerhalb der Organisation „Bundesheer“ als auch innerhalb der Organisation „Österreich“!
Das bedeutet aber auch, dass wir gutes und richtiges Management anstreben müssen, damit wir in unseren Organisationen ernst genommen und mit entsprechender Wertschätzung behandelt werden können.
Was ist daher vom Management des Bundesheeres
in dieser Situation zu verlangen?
(vergleiche ebenda, Teil II, Grundsätze wirksamer Führung, Seite 75 ff)
Management muss wirksam sein, sagt Malik unter anderem, und ich schließe mich dieser Forderung uneingeschränkt an. Die Wirksamkeit von Management muss allerdings auf die Ziele der jeweiligen Organisation abgestimmt sein, zu diesen einen Beitrag leisten, um letztlich als gutes und richtiges Management gelten zu können. Die Verfolgung der Ziele einzelner Gruppen oder nicht auf die Organisationsziele abgestimmter „Managementziele“ wäre somit als falsches oder schlechtes Management zu bewerten.
Management muss auf Resultate ausgerichtet sein, sagt Malik. Und auch mit dieser Aussage kann ich mich aus meiner Lebens- und Berufserfahrung identifizieren. Weiters auch damit, dass es in jeder Organisation immer zumindest 2 Resultate gibt:
- Solche, die mit Menschen zusammenhängen, mit deren Auswahl, ihrer Förderung und Entwicklung und ihrem Einsatz, und
- Jene, die in Zusammenhang mit Geld zu sehen sind, die Beschaffung und Verwendung finanzieller Mittel.
Jede Organisation benötigt Menschen und Geld.Das trifft nach meiner Erfahrung auf unsere Organisation „Bundesheer“ ganz besonders zu. Denn: Ist etwa eine Armee ohne Soldaten vorstellbar? Und wo auf der Welt gibt es Soldaten, die auf ihren Sold verzichten oder verzichten können?
Über das Resultat „Geld“ will ich mich hier nicht weiter äußern. Das Budget des Bundesheeres wird in der Zeitschrift „Der Offizier“ der Österreichischen Offiziersgesellschaft, Ausgabe 2/2008 (Seite 14 ff) in Zusammenhang mit der Frage, ob die Reform des ÖBH erfolgreich zu realisieren ist, ausführlich behandelt.
Ich will mich hier auf das Resultat „in Zusammenhang mit Menschen“ und dabei auf die Personengruppe „Offiziere“ beschränken. Den Bereich „Auswahl“ überspringe ich mit dem Hinweis, dass die Hochschulreife als Basisqualifikation verlangt ist, um überhaupt zum Auswahlverfahren für die Personengruppe „Offiziere“ zugelassen zu werden.Nach dem Auswahlverfahren werden die Aspiranten für den Beruf „Berufsoffizier“ gleichzeitig einem Studium und einem militärischen Ausbildungsprozess unterworfen. Einem Ausbildungsprozess, den Malik als eines der Musterbeispiele für Führungskräfte- und damit Management - Ausbildung zitiert. Und zum Abschluss dieses Studiums und des militärischen Ausbildungsprozesses wird regelmäßig sowohl vom Management des Bundesheeres, also „unserer“ Organisation, aber auch vom Management „Österreichs“ (repräsentiert z. B. durch den Herrn Bundespräsidenten) der besondere Wert der Absolventen dieser einzigartigen Managementschule Österreichs mit wunderbaren Worten betont.
In Wirklichkeit aber akzeptieren das Management unserer eigenen Organisation und auch das Management Österreichs, dass die Bewertung der Absolventen dieser einzigartigen Ausbildungsstätte nach dem Studium und dem Truppenoffizierslehrgang die gleiche ist wie vorher.
Wie ist daher das Resultat des Managements unserer Organisation hinsichtlich des „Studium für Führungskräfte“ und somit hinsichtlich der Förderung und Entwicklung der Personengruppe „Offiziere“ zu bewerten?
Ich sehe für mich folgende Fakten:
Ø Das Management des Bundesheeres hat sich entweder bisher nicht darum bemüht oder darin versagt, den Absolventen der Theresianischen Militärakademie jenen Stellenwert zu verschaffen, der ihnen als Abgänger einer in Österreich einzigartigen und international höchst anerkannten Ausbildungsstätte zuzuerkennen wäre.
Ø Das Management des Bundesheeres hat vor 10 Jahren beschlossen, den Berufsoffizieren neben der praxisbezogenen Ausbildung zum Manager (spezialisiert für militärische Führung; Truppenoffizierslehrgang) das Erreichen eines bestimmten akademischen Grades vorzuschreiben, um eine umfassende Wissensbasis für die Berufsausübung sicherstellen zu können. Nunmehr reduziert man diese Wissensbasis durch Verkürzung des akademischen Studiums, ohne Angabe von Gründen, warum nunmehr weniger Wissen gebraucht wird und ohne dass der weitere Ausbildungsgang in dieser Frage geklärt wäre.
Das Management des Bundesheeres verlangt somit von potenziellen Anwärtern für die Laufbahn eines Berufsoffiziers, dass er / sie ein Studium in einer bestimmten Fachrichtung beginnt ohne zu wissen, wie es in diesem Studium weitergeht. Von den minderen Berufsaussichten in Zusammenhang mit dem vorherigen Punkt gar nicht zu reden. Das bedeutet, dass das Management des Bundesheeres in der Frage der erforderlichen Personenanzahl zumindest im Bereich der Führungskräfte ein enormes Risiko eingeht anstatt durch Schaffung einer entsprechenden Attraktivität den Zulauf abzusichern.
Meiner Erfahrung nach ist daher das „Ergebnis des Handelns“ zumindest in den oben dargelegten Punkten als bisher nicht ausreichend zu beurteilen und ist deshalb das Management des Bundesheeres auch in dieser Hinsicht extrem gefordert.
Ø Gefordert, „gutes und richtiges Management“ zu werden
Ø Gefordert, Resultate zu erzielen, die den Zielen und damit den Interessen der gesamten Organisation und nicht bestenfalls einzelner Bereiche innerhalb dieser dienen.
Manager werden, sagt Malik unter anderem, danach beurteilt, wie es der durch sie geführten Organisation nach ihrem Ausscheiden aus dieser geht (vergleiche ebenda Kapitel 3, Management als Beruf, erster Absatz).
Ich frage daher: „Wie geht es uns?“
Siegfried Albel, MSc MSD, Obst m.p.