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Hasst er Berufssoldaten?

Auch Miliz-Brigadiere sind vor Irrtum nicht gefeit!
Leserbrief / Gastkommentar

 

Bezug: Artikel von Martin Fritzl in Die Presse vom Mittwoch, 27. Mai 2020 auf Seite 2 „Schaffer: „Es gibt mit Ach und Krach 1500 Milizsoldaten“

Es ist schon seltsam, dass eine so renommierte Zeitung wie Die Presse immer wieder erlaubt, Repräsentanten von völlig bedeutungslosen Vereinen im Gegensatz zu anderen Organisationen unreflektiert zu Wort kommen zu lassen. Es wäre nämlich zu hinterfragen, wie viele Milizsoldaten und Milizsoldatinnen Herr Schaffer eigentlich vertritt? Oder ob er nicht ausschließlich seine Ideen verkaufen möchte?

Egal, jeder darf seine Meinung haben und vertreten. Daher möchte ich auch sachlich auf Schaffer antworten: Er hat in manchen Punkten natürlich völlig recht: Die materielle Ausstattung des Bundesheeres entbehrt weitgehend jeder Kritik – vor allem was die Mobilität anlangt. Er hat auch recht, wenn er die Wiedereinführung von Übungen für die Miliz fordert. Deren Aussetzung durch den damaligen Verteidigungsminister Platter und die Verkürzung des Grundwehrdienstes auf 6 Monate haben dazu geführt, dass man jetzt für militärische Einsätze jedenfalls zu wenig einsatzbereite Truppen und vor allem keine Milizverbände mehr hat. Schaffer irrt allerdings oder beweist Unkenntnis, wenn er bezogen auf die derzeitige Situation von „Mobilmachung von Milizverbänden spricht, weil in Wirklichkeit nur einzelne Milizeinheiten und keine Milizverbände mobilisiert wurden. Das ist fachlich ein gravierender Unterschied.

Was Schaffer jedoch völlig negiert ist die Tatsache, dass „nach schweizer Vorbild“ nicht automatisch bedeutet, dass man es genau so machen muss. Die Schweiz hatte nämlich immer ganz andere Voraussetzungen als Österreich, das unmittelbar an den Ostblock grenzte. Es wurde in der Schweiz immer mit einem entsprechenden zeitlichen Vorlauf kalkuliert, den Österreich aber nie haben konnte.

Was er außerdem völlig ignoriert sind die derzeit zu erwartenden Bedrohungen, wo der zeitliche Vorlauf ebenfalls nicht gegeben sein kann.

Betrachten wir etwa ein Blackout: Die Aufbietung der Miliz in solchen Situationen müsste entweder durch Zustellung von Einberufungsbefehlen (schriftlich, per Post) oder durch Kundmachung in Radio und Fernsehen bzw. sonstigen Medien erfolgen. Sowohl die Durchführung der Aufbietung als auch deren Kenntnisnahme durch die Betroffenen ist in solchen Fällen jedenfalls problematisch wenn nicht sogar unmöglich. Vor allem dann, wenn man den zeitlichen Ablauf zur Entscheidungsfindung für die Mobilmachung bedenkt: Wenn die Entscheidung fällt, gibt es vielleicht auch keine flächendeckende elektronische Kommunikation mehr! Wie also sollen die Milizangehörigen rechtlich korrekt von ihrer Mobilmachung Kenntnis erhalten? Und wie sollen sie dann zu Ihren Sammelstellen kommen, wenn es etwa auch keine Versorgung mit Geld und Benzin mehr gibt? Da sind wohl einige Fragen nicht zu Ende gedacht, oder?

Noch diskussionswürdiger ist aber die Frage der zeitlichen Verfügbarkeit der Miliz etwa bei akuten Terrorbedrohungen. Nach Schaffer würde es zwingend notwendig sein, die Miliz vorausschauend mobilzumachen, um sie dann verfügbar zu haben, wenn man sie benötigt – eine teure Lösung, finde ich.

In Österreich ist man seit jeher den Weg gegangen, im Rahmen des Grundwehrdienstes eine bestimmte Menge an Truppen verfügbar zu machen, um jederzeit reaktionsfähig zu sein. Diese Reaktionsfähigkeit – so meinte man – müsste ausreichen, um auch die Mobilmachungsdauer überbrücken zu können. Das hat im „Kalten Krieg“ gut funktioniert, weil man immer eine entsprechende Vorlaufzeit zur Verfügung hatte. Das gilt aber heute nicht mehr, weil es für Terroraktionen (egal von welcher Seite!) oder Blackouts keine Vorlaufzeiten mehr gibt!

Anmerkung: Ich weiß nicht genau, ob Bgdr Schaffer noch der Miliz oder dem Reservestand angehört. Scheint mir aber aufgrund seiner Aktivitäten auch egal. Jedenfalls schadet er dem Bundesheer mehr, als er nützlich ist oder sein will. 

Obst i.R. Dr. Siegfried Albel