(C) Peter Kufner
Österreichs Bundesheer befindet sich in einer budgetären Notsituation. Was es dringend braucht, ist ein Bewusstseinswandel im Heer selbst.
https://www.diepresse.com/5740191/panzer-und-luftarmeen-braucht-das-land-nicht
Zum oben zitierten Artikel von Franz Eder und Martin Senn erlaube ich mir nachstehenden Kommentar:
„Grau ist alle Theorie“
Die Universitätsprofessoren für Politikwissenschaften an der Universität Innsbruck Eder und Senn haben in ihrem sehr umfangreichen und grundsätzlich richtigen Beitrag den dringenden Bedarf an politischen Entscheidungen für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik Österreichs dargelegt. Dem kann auch ich als „Praktiker“ durchaus zustimmen.
Wenn man allerdings die Frage der Umsetzung von „Neutralität“ diskutiert und dabei einerseits die Schweiz und andererseits einen Inselstaat in der Karibik als mögliche Vergleichsbasis heranzieht, dann hinkt der Vergleich meiner Meinung nach deutlich.
Eder und Senn haben auch dargelegt, dass man im Bundesministerium für Landesverteidigung „umdenken und die Prioritäten neu festlegen müsse“. Dieser Forderung kann ich hinsichtlich des in Österreich gegebenen Bürokratismus durchaus etwas abgewinnen. Denn wenn man davon ausgeht, dass ein Bundesministerium einerseits dafür zuständig ist, die Richtlinien für zugeordnete Bereiche zu erlassen und andererseits quasi als Servicebetrieb die Umsetzung dieser Regelungen auch zu gewährleisten hat, dann ist mit Sicherheit ein Umdenken zumindest für einzelne Menschen dort erforderlich.
Ob dabei „Zentralismus“ (und damit Größe des Apparates) auch hinsichtlich Umsetzungsentscheidungen zwingend erforderlich ist und ob nicht Entscheidungen besser in die Ebene der Umsetzung zu verlagern wären, sollte wohl in einer ergänzenden Diskussion und Abwägung der Vor- und Nachteile unterzogen werden. Eine Diskussion, die hinsichtlich der Verwaltungsnormen und Ministerialbürokratie wahrscheinlich aber in allen Ressorts zu führen wäre, nicht nur im BMLV.
Was aber im zitierten Beitrag völlig unberücksichtigt bleibt ist die Frage der praktischen Umsetzung. Also die Frage des „militärischen Handwerks“.
Dazu muss man wissen, wie „Militär“ funktioniert und was erforderlich ist, um sich beziehungsweise seinen Auftrag auch durchsetzen zu können. Auf der Homepage der IGBO (www.igbo.at) ist dies hoffentlich verständlich wie folgt dargestellt:
Militär funktioniert mittels militärischer Formationen. Das sind Truppen, die entsprechend organisiert sind (Trupps, Gruppen, Züge, Kompanien, Bataillone, Brigaden etc.) und die über jene Mittel verfügen, um im Zusammenwirken die Auftragserfüllung zu gewährleisten. Wenn man dabei etwa an einen Einsatz solcher Truppen alleine in Tirol denkt, kann man wahrscheinlich sehr rasch erkennen, dass dabei die Autonomie der Verbände für ihre Auftragserfüllung ein große Rolle spielt. Denn alleine ein Einsatz im Ötztal und gleichzeitig im Pitztal behindert eine gegenseitige Unterstützung der eingesetzten Truppen durch die dazwischenliegenden Berge weitgehend.
Die angesprochene Autonomie der Truppen bedingt, dass sie alle für die Auftragserfüllung notwendigen Mittel haben müssen. Das ist Mannesausrüstung, Transportmittel, die den Schutz während des Transportes gewährleisten, Aufklärungsmittel, um nicht in Fallen zu tappen, Steilfeuer, um auch hinter Deckungen wirken zu können, im Bedarfsfall Luftunterstützung. Es braucht also immer ein System, um den Erfolg gewährleisten und das eigene Risiko minimieren zu können. Und das reicht vom einzelnen Soldaten bis hin zu Abfangjägern und Cyberdefence. Wer das ignoriert, der kann keinen Erfolg haben.
Auch Eder und Senn sprechen vom Schutz der Bevölkerung und davon, dass Österreich zumindest zeitweise eine „aktive Neutralitätspolitik“ betrieben hat. Aus dieser aktiven Neutralitätspolitik heraus entsprang ja auch das Engagement im Rahmen des Programmes Nato-Partnerschaft für den Frieden und Österreichs Teilnahme an Missionen der UNO bzw. der EU.
Aber auch, wenn man nur über Schutz der Bevölkerung Österreichs spricht, muss man beurteilen, wie viele Truppen man dafür benötigt und wie diese ausgerüstet sein müssen, um nach den gültigen Normen ihren Auftrag im Sinne des vorhin Gesagten auch erfüllen zu können. Klar ist, dass man mehr Truppen braucht und nicht mehr bürokratischen Overhead. Klar ist damit aber auch, dass man im Sine einer vernünftigen Personalstruktur und im Sinne einer vernünftigen Dezentralisierung auch eine Verschiebung von Arbeitsplatzwertigkeiten zur Truppe diskutieren muss. Auch zum Vorteil einer gewissen Kontinuität bei der Truppe und aus sozialen Gründen, wenn etwa ein Soldat aus Tirol nicht zwingend nach Wien „auswandern“ muss, um einen Karriereschritt machen zu können. Wobei die Frage der personalrechtlichen Behandlung der Betroffenen sich für mich wie folgt darstellt:
- Soldaten aller Dienstgrade haben eine für uns alle entscheidende Funktion auszuüben. Wir müssen ihnen vertrauen können. Daher ist bei der Personalauswahl entsprechend vorzugehen. Das gilt wbwe für beamte ganz allgemein, oder?
- Vertrauen ist keine Einbahn! Daher müssen auch die Soldaten (Beamte!) darauf vertrauen können, einen sicheren Arbeitsplatz haben zu können. Gewährleisten wir das nicht, leisten wir eventuell Dingen Vorschub, die wir von Soldaten keinesfalls haben wollen.
Wir brauchen also als (Berufs-) Soldaten keine „politischen Funktionäre“, sondern Beamte, die in Entsprechung ihres Eides ausschließlich die Interessen des Staates und der Bevölkerung verfolgen. Ich frage mich, warum genau das nicht im Mittelpunkt der Diskussion stehen kann, anstatt den Berufsstand der Beamten und damit den der beamteten Soldaten ständig in Misskredit zu bringen. Will man damit eventuell „politische Günstlinge“ produzieren?
Wer sich der Komplexität einer Fragestellung nicht bewusst sein will oder kann, der sollte wohl besser schweigen.
Auch Medien sollten sich dieser Komplexität bewusst sein und Aussagen hinterfragen, ehe sie publiziert werden.