Bezug: Conrad Seidl im Der Standard vom 18. August 2017 auf den Seiten 6 und 7 unter dem Titel „Gedemütigte Heldenseelen“ in der Rubrik „Militärische Kultur“
Sehr geehrte Damen und Herren!
Der gegenständliche Artikel ist zwar grundsätzlich richtig und versucht mit psychotherapeutischer Unterstützung ein offensichtlich der gesamten Menschheit innewohnendes Problem aufzuzeigen.
Bezogen auf das Bundesheer ist das aber leider eine einseitige Betrachtungsweise. Es gibt dabei noch andere und ebenso bedeutsame Aspekte, die bisher in der gesamten bisherigen Berichterstattung im Der Standard unerwähnt geblieben sind.
Ein bisher unerwähnter Aspekt ist die Frage, wie sich die seinerzeitige Verkürzung der Inanspruchnahme der Wehrpflichtigen von 8 auf 6 Monate und die gleichzeitigen Personalkürzungen beim Bundesheer sowie Ausweitungen der Einsätze im In- und Ausland auf die Belastung des Personals ausgewirkt hat. Tatsache ist, dass für das Ausbildungspersonal die bei den 8 Monaten Wehrdienst gegebene „Pause“ zwischen den Einrückungskontingenten durch die Verkürzung auf 6 Monate wegfiel und sich in Zusammenhang mit den gleichzeitigen Personalkürzungen und (verpflichtenden) Auslandseinsätzen das gesamte Ausbildungspersonal quasi im Hamsterrad permanenter Grundausbildung befand. Ohne Chance auf Erholungszeiten, Inanspruchnahme von Fortbildung und der „Ernte des Ausbildungserfolges“ in Form eines (militärisch) einsatzbereiten Organisationselementes.
Unerwähnt blieb bisher auch der Aspekt des dringenden und akuten Personalbedarfs (ab 2015) nach den durch die Bundesregierung davor verfügten gravierenden Personaleinsparungen. Man weiß, dass plötzlich hoher Personalbedarf immer zu qualitativen Engpässen führt – egal, ob in der Wirtschaft oder im Öffentlichen Dienst. Es bedarf dann immer einer entsprechenden Übergangszeit, um zu selektieren und auszubilden. Darum bemüht man sich derzeit mit Nachdruck, wie Brigadier Dr. Schuh im gegenständlichen Artikel auch zum Ausdruck brachte.
Beide angeführten Faktoren sind Verantwortlichen im Bundesheer insoweit anzulasten, als man sie unwidersprochen und wider besserem Wissen zur Kenntnis genommen hat.
Primär lagen die Entscheidungen aber in der politischen Verantwortung der jeweiligen Bundesregierung und zuständigen Bundesminister. Wenn weder das erforderliche Personal noch die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, dann muss die Attraktivität des Berufes hinterfragt werden. Stellt man aber gleichzeitig höchste qualitative Ansprüche (vor allem an das Personal), muss die Frage nach einem möglichen Realitätsverlust erlaubt sein.
BM Mag. Doskozil versucht sowohl mehr Geld zu lukrieren als auch durch Personalmaßnahmen gegenzusteuern. Das kann nur erfolgreich sein, wenn man die dafür notwendige Zeit gewährt. Und wenn man für alle Ebenen des Führungspersonals die Attraktivität erkennbar steigert, also auch für die Offiziere, die im Vergleich zu ähnlichen Berufsgruppen noch immer eklatant benachteiligt werden.
Obst i.R. Dr. Siegfried Albel eh. Obmann der IGBO